Für eine Gedichtinterpretation ist ein kluger Aufbau des eigenen Aufsatzes sehr wichtig. Wir haben euch hier eine Muster Gliederung zum Aufbau einer Gedichtinterpretation erstellt, lernt diese und die Rhetorischen Mittel. Mit etwas Übungen kommt man dann in das Thema rein und steigert sich von Aufsatz zu Aufsatz. Lasst euch auch von euren Lehrern helfen, fragt sie, was Ihr noch falsch macht oder besser machen könnt, im Endeffekt müsst ihr es nämlich dem Deutschlehrer recht machen. Ganz unten findet Ihr noch eine Beispielsgedichtinterpretation.
Gedichtinterpretation Aufbau & Gliederung
==> meint eine Formulierung eines (vorläufigen) Gesamtverständnisses
Hauptteil:
- Zusammenfassung des Inhalts
- Analyse formaler Aspekte: Gedichtform (Sonett, Ballade, Elegie,..);
- Anzahl der Strophen, Verse, Reimschema (Paarreim, Kreuzreim, …); Versausgang (Kadenz); Versmaß / Metrum (Anzahl der Hebungen / Anapäst, Jambus, …); Verhältnis des Satzbaus zur Versgrenze (Enjambements,..)
- Ort, Zeit des Geschehens, Atmosphäre
- zentrales Thema
- lyrisches Ich; Kommunikationssituation
- eventuell weitere Personen
- Geschehen, Handlungsabfolge
- eventuell epochentypische Merkmale
- (Leit-)Motive
- mögliche Intention
- Rückgriff auf die anfangs aufgestellte Interpretationshypothese
- evtl.: Einordung in einen größeren Zusammenhang (Epoche, .. )
Gedichtinterpretation Beispiel
Diese Gedichtinterpretation soll als Beispiel gelten, sie ist über den Text "Ach Liebste, laß uns eilen" von Martin Opitz geschrieben.
Das Gedicht „Ach Liebste laß uns eilen“ wurde 1624 von Martin Opitz verfasst und lässt sich in die Epoche des Barocks einordnen. Es thematisiert die Vergänglichkeit der Schönheit und der damit verbundenen Liebe, sowie den daraus resultierenden Wunsch und Appell des lyrischen Ichs an seine Geliebte, die Jugend auszukosten. Das Gedicht greift ebenfalls typische Motive der Barockzeit auf, wie das Bewusstsein der Vergänglichkeit (Vanitas) alles Schönen, sowie das Verlangen, den Moment zu nutzen („carpe diem“). Ebenfalls lassen sich einige Stilmittel des Petrarkismus in dem Gedicht wiederfinden. Dies ist eine Form der Liebeslyrik, die den Minnesang im Mittelalter ablöste und bis ins 17. Jahrhundert hineinreichte. Das lyrische Ich wird im Petrarkismus immer von einer männlichen Person besetzt.
Das Gedicht besteht insgesamt aus 6 Strophen mit je 4 Versen und unterliegt einer strengen Regelmäßigkeit und einem gleichmäßigen Metrum, das unaufhaltsam fortschreitet, wie die Vergänglichkeit der Schönheit. Durch den abwechselnd vorkommenden drei und zwei hebigen Jambus und das durchgängige Schema des Kreuzreims abab, das sich als Endreime am Ende jedes Vers bemerkbar macht, wird diese Regelmäßigkeit unterstrichen.
Der Wechsel von stumpfen und klingenden Kadenzen erzeugt ebenfalls einen Rhythmus. Das Gedicht lässt sich inhaltlich in drei Abschnitte unterteilen, von denen je einer aus zwei Strophen besteht.
Die ersten beiden Strophen thematisieren dabei einen Appell, den das lyrischen Ich an das lyrische Du richtet. Hierbei geht es um das Auskosten der Jugend und die Aufforderung, keine Zeit zu verlieren, da die Schönheit schwinden wird. Verdeutlicht wird dies durch den Imperativ in dem ersten Vers („laß uns“). Des weiteren wird durch den Ausruf „Ach“ ein wehmütiger Gefühlszustand des lyrischen Ichs gezeigt, welchen es in den darauffolgenden Versen erläutert und eine Lösung des Problems anführt.
Mit den personifizierten „edlen Schönheit Gaben“ (Vers 5), die ebenfalls durch eine Inversion ausgedrückt werden, gibt das lyrische Ich eine Begründung an, weshalb es seine Geliebte so stark zum Eilen drängt und mit der darauffolgenden Formulierung „Fliehn fuß für fuß“, einer personifizierten Alliteration, wird Lebendigkeit erzeugt, die den schnellen Verfall der Schönheit und Jugendlichkeit veranschaulicht.
Die Verwendung von Personal Pronomina allein in der ersten Person Plural (Vers 1 und 4 „uns“ ; Vers 2 und 7 „wir“ ) deutet auf eine enge Verbundenheit zwischen dem lyrischen Ich und dem lyrischen Du hin, allerdings wird deutlich, dass es sich um eine rein körperliche oder zumindest auf das Äußerliche fixierte Beziehung handeln muss, denn wenn dies, also die Schönheit, schwindet, wird auch die Liebe verloren gehen.
Das lyrische Ich bedient sich in diesen beiden ersten Strophen dem antiken Motto „carpe diem“, denn es fordert das lyrische Du dazu auf, jeden Tag, und besonders die Jugend, intensiv zu nutzen, denn die Vergänglichkeit (=Vanitas) droht.
Der zweite Abschnitt, die Strophen drei und vier, begründen den Verfall der Schönheit und liefern konkrete Beispiele. Die Veränderung vom Schönen zum Hässlichen wird anhand sprachlicher Bilder gezeigt.
Das lyrische Ich bedient sich hier dem Wortfeld des Körpers, dem Schönheitskatalog, der für Frauen in der Barockzeit typisch war. Es benennt Wangen, Haar, Augen, Mündlein und Händ' und stellt dar, inwiefern sich diese mit der Zeit ins Hässliche und Alte verändern. Eine Art Klimax wird durch diese zwei Strophen dargestellt: Durch die Steigerung von „verbleichet“ (Vers 9) zu „weichet“ (Vers 11) zu letztlich „verfallen“ (Vers 15). Zuerst verblasst „der Wangen Ziehr“, die rosige, junge Haut verliert an Frische, dann weicht „der Augen Feuer“, eine Metapher und ein
Symbol für Leidenschaft und schließlich verfallen „die Händ' als Schnee“, somit schwindet die jugendliche Energie und Elan.
Es lässt sich somit feststellen, dass es sich bei der Schönheit einer Frau letztlich um eine „Gabe“ handelt, die es ganz im Sinne des „carpe diem“ zu nutzen gelte. Das lyrische Du wird seiner Schönheit untergeordnet.
Aus diesem Gedanken heraus entwickelt sich das abrupt wirkende Fazit „Und du wirst alt.“ (Vers 16), das die vierte Strophe und somit auch den zweiten Sinnabschnitt beendet. Die vorher beschriebene Alterung des lyrischen Ichs und somit das Schwinden der Schönheit wird konkret auf dieses bezogen.
Dieser abschließende Satz beinhaltet also jegliche Konsequenzen, die für das lyrische Du entstehen könnten und soll das Interesse an intensiver Kooperation mit dem lyrischen Ich erwecken.
Der letzte Sinnabschnitt, der die Strophen fünf und sechs beinhaltet, stellt eine Wiederaufnahme des zu Anfang erwähnten Appells dar, was auch an bestimmten Parallelen zum ersten Sinnabschnitt erkennbar ist, wie zum Beispiel die Verwendung des Imperativs (Vers 17 „laß uns“, Vers 23 „gib mir“ ) und den Personal Pronomen der ersten Person Plural (Vers 17 „uns“, Vers 19 „wir“). Allerdings werden auch Pronomen in der ersten und zweiten Person Singular verwendet, was eine Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und dem lyrischen Du verdeutlicht. Das lyrische Ich appelliert somit an das lyrische Du, auf seine Wünsche einzugehen und seinen Forderungen gerecht zu werden.
Es handelt sich bei diesem letzten Abschnitt ebenfalls um eine Folgerung, eine Conclusio, hervorgehend aus den zwei Strophen zuvor, denn die fünfte Strophe wird mit dem Kausaladverb „drumb“(Vers 17), also „darum“, eingeleitet.
Auffällig ist ebenfalls das Enjambement in Vers 17 und 18, das bezüglich der Betonung den eigentlichen Rhythmus unterbricht, sich jedoch inhaltlich wieder dem Schema anpasst, da ein Gedanke immer über mehrere Zeilen weitergeführt wird.
Die Personifikationen „Der Jugend Frucht“ (Vers 18) und „Der Jahre Flucht“ (Vers 20) bilden sowohl eine Antithese, als auch einen Parallelismus. Die Flüchtigkeit eines jeden Momentes, also auch der Jugend, wird verdeutlicht und jegliche Einflussnahme des Menschen ausgeschlossen. Das lyrische Du wird aufgefordert, die Jugend mit dem lyrischen Ich auszukosten, eh es zu spät ist und sie vom Altern, das zwangsläufig und unaufhaltsam geschehen wird, eingeholt werden.
Lediglich die sechste und letzte Strophe des Gedichts unterscheidet sich von den übrigen. Durch die Verwendung der Pronomen in der ersten und zweiten Person Singular macht das lyrische Ich deutlich, was es von dem lyrischen Du verlangt: Zum einen Liebe (Vers 22 „So liebe mich“), zum anderen den Körper, bzw. die Schönheit (Vers 23/24 „Gib mir, daß, wann du giebest, verlier auch ich“). Das bereits am Ende des zweiten Abschnitts Begonnene wird somit fortgesetzt und der Appell,die Jugend auszukosten, weiter an das lyrische Du gerichtet. Es fällt allerdings auf, dass es sich einzig und allein um Forderungen an die Geliebte handelt: Nur sie allein soll schön bleiben und ihre ganze Schönheit dem lyrischen Ich widmen. Das lyrische Ich allerdings ist nicht bereit dazu, dem lyrischen Du in irgendeiner Weise ebenfalls etwas zu versprechen oder sich für dieses hinzugeben. Es will sich vergnügen und denkt allein an sich selbst.
Ebenfalls kann diese letzte Strophe als Aufforderung zum Geschlechtsakt gedeutet werden, das die rein körperliche Beziehung und das Verlangen des lyrischen Ichs nach dem Körper des lyrischen Du noch einmal unterstreicht.
Die Vergänglichkeit (Vanitas) spielt somit eine entscheidende Rolle in dem Gedicht, aber auch das Motto „carpe diem“ kennzeichnet dieses. Die Gelegenheit, die die Schönheit dem lyrischen Ich, als auch dem lyrischen Du bietet, soll genutzt werden – und das in vollen Zügen. Entscheidend ist jedoch auch der Genussgedanke, der sich hier ebenfalls befindet. Aus „Nutze den Tag“ und „Genieße den Tag“ wird somit „Genieße den Tag zum Genuss“ – eine Vereinigung von Vanitas und „carpe diem“.
Der Gedanke des „memento mori“ (Gedenke des Todes) lässt sich allerdings nicht eindeutig auf das
Gedicht übertragen, da sich die Vergänglichkeit hier nicht auf den Tod eines Menschen bezieht, sondern auf das Vergehen der Schönheit. Da diese in diesem Gedicht allerdings personifiziert wird und im Mittelpunkt des Geschehens steht, ließe sich „memento mori“ so interpretieren, dass es sich um den „Tod“ der Schönheit handele.
Das Altern bedeutet im übergreifenden Maße auch den Tod für das lyrische Ich: Das Ende der Schönheit ist das Ende von Liebe und Leben.